JTGT

Ausschnitt aus Friedrich Huchs "Der Gast"

Für ein paar Augenblicke war ihm, als sei eine bis dahin kaum beachtete, unsichtbare Stütze seines Daseins gelockert und dann fortgezogen, er schwieg eine Zeitlang, und dann sprach er zu sich selber: »Nun, Jakob, das ist eine schöne Überraschung! Dein Traum hat sich in reinste Luft aufgelöst! Ich Schafskopf, wie konnte ich mir auch nur einen Moment einbilden, daß das alles noch so sein würde wie es früher war! Das Haus war hier schon lange im Wege!« - Langsam ging er die Gasse hinauf, sah links und rechts auf die Häuser der Seite und murmelte: »Hier hat es gestanden! Es ist doch eigentlich ein Vandalismus, daß man es niedergerissen hat!« - Aber wie er den Platz endlich verließ, da dachte er: »Ich glaube, es wäre gar nicht gut, wenn ich es wiedergesehen hätte; man soll so alte Beziehungen nicht erneuern, und der Gedanke, es vielleicht wieder bewohnen zu können, war so bizarr.« - Und doch, trotz dieser Trostesworte, fühlte er, wie er langsam in eine Stimmung gekommen war, wie er sie sonst kaum an sich kannte. Alles war weich und zart und liebebedürftig in ihm, und zugleich stieg in ihm ein Haß auf gegen dieses Menschengeschlecht, das mit Konsequenz alles, was ihm und seinem »Fortschritt« im Wege war, niederwarf, vernichtete. Und was war das Ziel dieses Fortschreitens? Mechanisierung des Lebens, Austreiben der Seele, Triumph des sogenannten »Geistes«, ein systematisches Verschrumpfenlassen und Ablösen alles Fleisches an einem einst schönen Körper, bis nur das nackte Skelett übrigblieb.