JTGT

Ausschnitte aus Paulo Coelhos "Der Alchimist"

›Die Menschen reden oft merkwürdige Dinge‹, dachte der Hirte. ›Manchmal ist die Gesellschaft der Schafe wirklich vorzuziehen, sie sind stumm und suchen nur nach Wasser und Futter. Oder Bücher leisten uns Gesellschaft, die uns die tollen Geschichten immer dann erzählen, wenn wir sie hören möchten. Aber wenn man mit Menschen spricht, so kann es passieren, daß sie Dinge von sich geben, bei denen man nicht mehr weiterweiß.‹

[...]

»Vor zwei Tagen hast du behauptet, ich hätte keine Reiseträume«, antwortete der Händler. »Die fünfte Verpflichtung eines jeden Mohammedaners ist, eine Reise zu machen. Mindestens einmal im Leben sollten wir zur heiligen Stadt Mekka pilgern. Mekka ist noch viel weiter entfernt als die Pyramiden. Als ich jung war, wollte ich das wenige Geld zusammenhalten, um dieses Ladengeschäft zu erwerben. Ich dachte daran, eines Tages reich genug zu sein, um nach Mekka zu reisen. Dann verdiente ich eine Menge Geld, aber ich hatte niemanden, der auf das Kristallglas hätte aufpassen können, denn es ist äußerst zerbrechlich. Gleichzeitig sah ich viele Leute vor meiner Haustüre vorbeiziehen, die nach Mekka pilgerten. Einige Reiche gingen mit einem Gefolge von Dienern und Kamelen, aber die meisten waren viel ärmer als ich. Alle kehrten sie zufrieden zurück und hängten die Symbole der Pilgerfahrt über ihren Türen auf. Einer von ihnen, ein einfacher Schuster, der fremde Schuhe reparierte, erzählte mir, daß er fast ein ganzes Jahr durch die Wüste gewandert sei, aber das hatte ihn weit weniger angestrengt, als durch die Stadtviertel von Tanger zu streifen, auf der Suche nach geeignetem Leder.« »Wenn das so ist, warum gehen Sie nicht jetzt nach Mekka?« fragte der Jüngling. »Weil Mekka mich lebendig hält. Das läßt mich all die eintönigen Tage ertragen, die stummen Gegenstände in den Regalen, die Mahlzeiten in dem schrecklichen Restaurant. Ich habe Angst, meinen Traum zu verwirklichen und danach keinen Ansporn mehr zum Weiterleben zu haben. Du träumst von Schafen und Pyramiden. Du bist ganz anders als ich, weil du dir deinen Traum erfüllen willst. Ich hingegen möchte nur von Mekka träumen. Ich habe mir schon hundertmal die Durchquerung der Wüste vorgestellt, meine Ankunft auf dem Platz mit dem Heiligen Stein und die sieben Runden, die ich um ihn drehe, bevor ich ihn berühren darf. Ich habe mir ausgemalt, welche Personen sich um mich herum befinden, und die Worte und Gebete, die wir miteinander sprechen werden. Aber ich befürchte auch, daß es eine große Enttäuschung werden könnte, deshalb ziehe ich es vor, nur davon zu träumen.«